Liebe Joëlle Jetzt habe ich zum dritten Mal ein Paar getroffen, das erzählte, sich über das Internet kennengelernt zu haben. Ich war leicht schockiert. Vor allem darüber, dass da von einem Vorgang berichtet wurde, der heute offenbar alltäglich ist. Klammern wir das Schicksal aus dem Leben aus, oder beziehen wir es aus dem Computer? Könnte es aber auch sein, dass die Partnersuche im Internet nicht weniger romantisch abläuft als am Arbeitsplatz, im Gesangsverein oder in der Hotelbar?
Lieber Herr Ramspeck
Auch ich habe meinen Partner im Internet kennengelernt. Ich kann versichern, dass es beim Kennenlernen an Romantik nicht mangelte. Die Partnersuche läuft heute allerdings komplexer ab als zu Ihrer Zeit. Es gibt mehr Beziehungsformen, mehr Individualismus, mehr Ansprüche. Leider steht es uns nicht auf der Stirn geschrieben, was wir suchen, so ist jeder Flirt zu Beginn ein Glücksspiel. Will er dasselbe wie ich? Man weiss es nicht, man muss es versuchen. Wir lassen uns noch immer auf das altmodische Schicksal ein und würden mit jemandem ausgehen, den wir in der Bibliothek kennengelernt haben. Wir können aber auch online schauen, was der Markt dort bereithält. Dort steht wenigstens, was der jeweilige will. Onlinedating klingt so einfach, erleichtert aber lediglich den ersten Schritt. Man hat weniger Hemmungen, sich anzusprechen, und weiss, ob es um die Suche nach der grossen Liebe oder einem Abenteuer geht. Schritt 2 bis 200 sind dann so nervenaufreibend wie beim herkömmlichen Kennenlernen. Das Schicksal muss auch im Internet mitspielen. Denn auch dort glauben Romantiker, dass es nur den einen gibt. Und um den zu finden, muss man im Web so viel Glück haben wie auf der Strasse.